Donnerstag, 5. Februar 2015

Die Leittextmethode – Vom Ideal zur Handlung


Die Leittextmethode ist ein praktisch über viele Jahre erprobtes Verfahren aus der beruflichen Ausbildung in der Industrie. Die Methode läßt sich sehr wirkungsvoll und motivierend einsetzen, wenn es um das Erlernen von Handlungsabläufen geht. Auch wenn sie nicht auf alle Lernsituationen anwendbar ist, eignet sie sich dennoch vorzüglich dazu, Selbstlern- und Handlungskompetenz zu fördern.

Bild: Animaatjes


Die Leittextmethode ist ein Verfahren, bei dem Lernende praktische Aufgabenstellungen, mittels Anleitungen in Textform, bearbeiten. (vgl. Rotluff in Pahl & Schulz 1989: S 148) Ihren Ursprung hatte diese Methode Mitte der 70er Jahre, bei Daimler-Benz in Gaggenau, in der betrieblichen Ausbildung. (vgl. ebda.: S. 149)


Modell der vollständigen Handlung“
Die Leittextmethode orientiert sich am „Modell der vollständigen Handlung“ (vgl. Bauer et al. 2011), welches die idealtypische Durchführung eines Arbeitsauftauftrages durch einen Experten darstellt, an dem sich die Strukturierung der Ausbildung orientieren soll. (vgl. Koch & Selka 1991: S. 41/42) Die Grundlagen dieses Modells gehen zurück auf die Handlungsregulationstheorie.(vgl. Hacker 1973; Volpert & Groskurth 1975)


Die Methode
Unterschieden wird bei der Leittextmethode zwischen äußeren und inneren Abläufen, wobei den inneren dabei eine besondere Bedeutung beigemessen wird bzw. der Strukturierung und Sicherstellung derselben. Diese inneren Abläufe werden quasi nach außen verlegt, [] indem das, was sonst nur gedacht wird, während der Ausbildung aufgeschrieben werden muß. (Koch & Selka 1991: S. 43) Dabei wird von der Ausbildung sogenannter „semantischer Netzwerke“, nach Lindsay, Norman und Rumelhart, ausgegangen. Durch das Aufschreiben der einzelnen inneren Abläufe soll angeregt werden, daß im Gehirn Begriffe im Zusammenhang mit ihrer Verwendung gespeichert werden. (ebda. S. 39)
Die Leittextmethode eignet sich dazu, zu selbstständigem Lernen anzuleiten. Der Leittext besteht i.d.R. dabei aus:
  • Leitfragen
  • Arbeitsplan
  • Kontrollbogen
  • Leitsatz
Die vollständige Handlung wird in 6 Stufen unterteilt:
  1. Informieren, durch die Bearbeitung von Leitfragen
  2. Planen, durch die Erstellung schriftlicher Arbeitspläne
  3. Entscheiden, durch ein Fachgespräch über die Planung und Leitfragen
  4. Ausführen einer praktischen Aufgabenstellung
  5. Kontrollieren, anhand von Soll-Ist Vergleichen mittels Kontrollbögen
  6. Bewerten in einem weiteren Fachgespräch über die Kontrollergebnisse
(vgl. Koch & Selka 1991: S. 42)


Die praktische Umsetzung
In der praktischen Umsetzung bedeutet das, dass die Lernenden zunächst allgemeine Informationen erhalten über die angestrebten Lernziele und den Arbeitsauftrag. Dabei vermitteln die Leitfragen einen Überblick über die Handlungsaufgabe und leiten dazu an, sich Informationen zu verschaffen, mittels Lernmaterialien.
Nachdem nun die Lernenden darüber informiert sind, was zu tun ist und was man darüber wissen muss, geht es in der zweiten Phase darum, einen konkreten Handlungsplan über die eigene Vorgehensweise zu erstellen. Dabei können im Leittext Checklisten und Hinweise auf mögliche Informationsquellen eingearbeitet werden.
In der nun anschließenden Entscheidungsphase geht es darum, unter Reflexion der ersten beiden Phasen, eine Entscheidung über die Vorgehensweise zu treffen. Dies kann in Form einer (möglicherweise moderierten) Gruppendiskussion geschehen, oder durch ein Fachgespräch mit dem Lehrenden.
Die Kontrolle der Durchführung wird durch die Lernenden vollzogen, indem ein Durchführungsprotokoll erstellt wird und mittels eines Kontrollbogens Bewertungskriterien, anhand von Soll-Ist Vergleichen, abgeglichen werden.
Die Auswertung bzw. Bewertung findet in einer fachlichen Auseinandersetzung mit dem Lehrenden statt.


Fazit
Innerhalb der Konzipierung von Lernprozessen bietet diese Methode den Vorteil, das Informationsangebot und die selbstständig tätige Auseinandersetzung der Lernenden, mit komplexen fachbezogenen Themen, zu verbinden. Dabei findet über die handlungsorientierte Auseinandersetzung mit den Lerninhalten eine Anleitung zu selbstständiger Informationsbeschaffung statt, auch über bereits vermittelte Kenntnisse und Fertigkeiten hinaus, somit auch eine Ausblidung und Förderung der Selbstlernkompetenz. Des weiteren kann, durch die Kommunikation der eigenen Planung und Kontrolle, Sozialkompetenz gefördert werden, in Verbindung mit der Internalisierung der Lerninhalte durch aktive Auseinandersetzung mit denselben. Allerdings sollte bei der Konzipierung der Kontroll- und Bewertungsmaßstäbe darauf geachtet werden, dass dies nicht auf Kosten der aktiven Handlungsorientierung und selbständigen Auseinandersetzung der Lernenden mit den Lerninhalten geht und ferner dadurch nicht Werturteile vorgegeben werden, die am allgemeinen Lernziel vorbeigehen.


Literatur
Bauer Hans G. / Mundz, Claudia / Schrode, Nicolas / Wagner, Jost: Die vollständige Arbeitshandlung (VAH) – Ein erfolgreiches Modell für die kompetenzorientierte Berufsbildung (Berufliche Handlungskompetenz Heft 3), Berlin 2011.
Hacker, Winfried: Allgemeine Arbeits- und Ingenieurpsychologie. Psychische Struktur und Regulation von Arbeitstätigkeiten, Berlin 1973.
Koch, Johannes / Selka, Reinhard: Leittexte – ein Weg zu selbstständigem Lernen. Teilnehmerunterlagen, Bielefeld 1991.
Pahl, Jörg-Peter / Schulz, Hein-D. (Hrsg.): Lernen nach der Neuordnung, Wetzlar 1989.
Volpert, Walter / Groskurth, Peter: Lohnarbeitspsychologie: Berufliche Sozialisation – Emanzipation zur Anpassung, Frankfurt/Main 1975.


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