In einer
Fallstudie wird ein vorgegebener Fall von den Lernenden analysiert,
ausgewertet, bewertet und bearbeitet. Diese Methode eignet sich in
der Ausbildung, um theoretische Lerninhalte im Zusammenhang mit den
jeweiligen praktischen Anwendungen erfahrbar zu machen.
Ursprung in
Harvard
Ein
gewisser Cristopher C. Langdell führte im Jahre 1870 an der Harvard
Law School ein, dass bestimmte Prinzipien der Rechtswissenschaften am
besten durch die Analyse realer Gerichtssituationen und
-entscheidungen vermittelt werden können. An der Harvard Business
School wurden dann später, seit Anfang der 1920er Jahre, initiiert durch Wallace
Brett Donham, spezielle Fälle als entscheidungsbasierte
Themenkomplexe konzipiert, die sich mit
Wirtschaftsproblemen beschäftigen. Die Harvard Medical School folgte
im Jahre 1985, durch Daniel Tosteson, nach längerer
Auseinandersetzung. (vgl. Garvin in Harvard Magazine 106/2003: S.
56ff.)
Die
Anforderungen an Fallstudien in der Ausbildung
Bei
Fallstudien zu Ausbildungszwecken werden unterschieden, je nach Art
des Falles:
- Situationsbeschreibungen, wo keine Lösungen vorgegeben sind, also die Lernenden selbst plausible Ergebnisse erarbeiten sollen
- Situationsbeschreibungen, wo bereits Lösungen vorgegeben sind, als Diskussionsgrundlage und zum Ergründen von alternativen Lösungsansätzen.
Ein
Thema wird allerdings erst dann zu einem ausbildungsrelevanten Fall,
wenn ein typisches und grundsätzliches Kernthema vorliegt, bei dem
über die Beschäftigung damit, Handlungswissen und Handlungkompetenz
durch die Lernenden erworben werden kann, mit Anwendbarkeit im
Arbeitsalltag.
Die
Fallstudie unterscheidet sich von anderen Unterrichtungsmethoden, wie
Erklären oder Aufzeigen, dadurch, dass hier eine aktive
Auseinandersetzung mit dem Lerninhalt und konkretes Handeln von
Seiten der Lernenden gefordert ist.
Die
didaktischen Anforderungen an eine Fallstudie sind dabei (vgl.
Pätzold & Lang 1999):
- Ermöglichung einer unmittelbaren Beziehung der Lernenden zum Fall, auf Grundlage von Erfahrungen und Erlebnissen, bei gleichzeitiger Zukunftsrelevanz für die Lernenden
- der Fall muss Interpretationsmöglichkeiten durch die Lernenden zulassen
- der Fall sollte Probleme und Konflikte beinhalten
- der Fall darf nicht so komplex dargestellt sein, dass er Lernende überfordert
- der Fall muss überschaubar und innerhalb der (zeitlichen) Rahmenbedingungen lösbar sein
- der Fall sollte mehrere Lösungen zulassen
- die exemplarischen Erkenntnisse aus der Fallbearbeitung müssen sich widerspruchsfrei in die Systematik der korrespondierenden Fachwissenschaften einfügen und verallgemeinerungsfähig sein
Die
Fallstudie gliedert sich dabei in folgende Phasen (vgl. Hoffmann &
Langefeld 1997: S. 67f.):
- Konfrontation, bei der die Lernenden mit dem Fall vertraut gemacht werden
- Information, bei der es um die Beschaffung und Auswertung von fallbezogenen Informationen geht sowie der Bewertung dieser hinsichtlich der Lösungstauglichkeit
- Exploration, bei der es um die Planung der Problemlösung, die Informationsverarbeitung und die Methodenauswahl geht
- Resolution, bei der es um die Auswahl und Begründung einer Entscheidung geht
- Disputaion, bei der die Entscheidung vorgetragen und diskutiert wird
- Kollation, bei der ein Vergleich der Lösung mit der Realität angestellt wird
Phase
|
Lernende/r
|
Lehrender
|
Didaktische
Intention
|
Konfrontation
|
Erfassen
des Themas und seiner Begleitumstände nach:
|
Vorstellung
des Themas
|
Problemdarstellung,
Problemwahrnehmung
|
Information
|
Aufarbeitung
der Informationen, Identifikation und Entzerrung der Probleme,
Beschaffung von Zusatzinformationen
|
Organisation,
Bedarfsintervention
|
Problem-
und Faktenanalyse, Informationssammlung und -auswertung,
Überlegungen und Planung zur Problemlösung
|
Exploration
|
Erarbeitung
verschiedener Lösungsansätze
|
Organisation,
(zielorientierte) Bedarfsintervention
|
Zielorientierte
Anwendung zur Problemlösung, Entwicklung alternativer
Lösungsvarianten, Methodenkompetenz
|
Resolution
|
Beratung
der Lösungsvarianten, Entscheidung für einen Lösungsansatz
|
Organisation,
(folgenorientierte) Bedarfsintervention
|
Abgestimmte
und begründete Problemlösung, Entscheidungsfindung
|
Disputation
|
Reflektieren
der Entscheidung, Formulierung von Argumenten
|
Bestärken,
Hinterfragen
|
Einordnung
der Problemlösung in den Gesamtzusammenhang
|
Kollation
|
Vergleichen
der Lösung mit der Realität
|
Abgleich
der Lösung mit der Realität nach:
Feedback /
Ausblick
|
Reflexion
und Transfer
|
Aufteilung
der Phasen, nach Anforderungen an die Beteiligten und didaktischer
Intention
Die
Fallstudie im Hinblick auf verschiedene Lernangebote
Die
Bearbeitung von Fallstudien eignet sich insbesondere zur Organisation
von Gruppenarbeiten. Aber auch für einzelne Lernende und bei
Selbstlernangeboten können Fallstudien hilfreich sein. Die Konzepte
müssen dann didaktisch und organisatorisch an die besonderen
Anforderungen solcher Angebote angepasst werden. (vgl. Clement &
Kräft 2002: S. 113)
Wichtig
bei allen Phasen der Fallstudie ist die Kommunikation der Lernenden, vor allem
mit dem Lehrenden. Das Konzept sollte so ausgearbeitet sein, dass
zeitlich festgelegte Berichte an den Lehrenden gegeben werden, was
insbesondere eine Herausforderung bei Selbstlern- und
Distanzlernangeboten ist.
Bei
Web- und Internetbasierten Lernangeboten können Foren, Chats und
Telefon- und Videokonferenzen organisiert bzw. implementiert werden.
Ferner ist das Berichtswesen über Kalenderfunktionen, Ticketsysteme
etc. organisierbar. Auch hier ist wieder ein Bezug zur modernen
Arbeitswelt deutlich herauszustreichen, da auch Projekte oft so
organisiert sind, dass die daran Beteiligten an verschiedenen Orten
daran arbeiten. Somit ist hier auch die Möglichkeit vorhanden, neben
der zur Bearbeitung notwendigen Fach-, Handlungs- und
Methodenkompetenz, besondere Herausforderungen an die Medien- und
Sozialkompetenz zu vermitteln.
Literatur
Clement,
Ute / Kräft, Klaus: Lernen organisieren. Medien, Module, Konzepte,
Berlin Heidelberg 2002.
Garvin, Davis A.: Making The Case. In Harvard Magazine Vol. 106 Nr. 1,(Sep./Oct) 2003.
Garvin, Davis A.: Making The Case. In Harvard Magazine Vol. 106 Nr. 1,(Sep./Oct) 2003.
Hoffman,
Bärbel / Langefeld Ulrich: Methoden-Mix. Unterrichtliche Methoden
zur Vermittlung beruflicher Handlungskompetenz in kaufmännischen
Fächern, Darmstadt 1997.
Pätzold,
Günter / Lang, Martin: Lernkulturen im Wandel. Didaktische Konzepte
für eine wissensbasierte Organisation, Bielefeld 1999.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen